„Alles kann, nichts muss.“
(Bruderherz)
Wenn unsere Welt immer voller wird und wir vor lauter Verpflichtungen gar nicht mehr so recht wissen, wie wir alles stemmen sollen, merken wir manchmal gar nicht, wie das Wort „Müssen“ in unserem Leben immer mehr überhandnimmt und uns mehr und mehr vereinnahmt, ohne dass wir das eigentlich wollen.
Es gibt Zeiten, in denen man voller Tatendrang und Kraft alles schafft, was man sich selbst aufgebürdet hat, in denen es kein Problem ist, all die vielen Projekte und Vorhaben zu stemmen, in denen man voller Elan daran arbeiten kann, ohne in eine innere, negative Energiebilanz zu geraten.
Der Stress, der hiermit einher geht, ist ein positiver Stress, einer, der uns auch etwas gibt, den wir im Leben genauso sehr brauchen wie bestimmte Ruhephasen.
Ich selbst brauche diese Art von „Stress“ immer wieder, nehme mir meist mehr vor als eigentlich möglich zu sein scheint und bin damit aber sehr zufrieden. Es erfüllt mich einfach, in meinem Leben an mehreren Projekten gleichzeitig arbeiten zu können und es so vielfältig und spannend zu halten.
Am liebsten unterwegs, non-stop, immer voll mit neuen Ideen.
Doch es gibt genauso gut auch Zeiten, in denen man – egal aus welchem Grund – all diesen Vorhaben, so sehr man sie auch liebt, nicht mehr gerecht werden kann. Zeiten, in denen man Druck verspürt, die Dinge weiter anzugehen, in denen man merkt, dass es einfach zu viel wird. Man verliert die Freude daran und das Gefühl von „ich muss“ nimmt immer mehr zu. Plötzlich ruht man nicht mehr mit innerer Stärke in sich, sondern fühlt sich bei seinen Vorhaben gehetzt, verloren, unter Druck gesetzt.
Was dann?
Wir müssen die Bremse ziehen. Anhalten, für ins im Inneren laut „Stop“ rufen und uns aktiv zurücknehmen. Uns ausklinken, Kraft tanken. Lernen, uns wieder etwas zu gönnen. Lernen, dass es nicht nur um Leistung und Schaffen geht. Dass es noch viel mehr geben kann, als das, was wir schon kennen.
Ausbrechen, Klarheit finden, innehalten.
Da ich einen ziemlichen Dickkopf habe, was meine Vorhaben und Ideen angeht, fällt es mir in solchen Zeiten zugegebenermaßen schwer, mir einzugestehen, dass es vernünftiger ist, einen neuen Plan nicht gleich (sprich sofort) zu realisieren. Oftmals habe ich dies in der Vergangenheit mit dem Gefühl des Scheiterns verknüpft.
Wieso eigentlich?
Von außen betrachtet ist es eigentlich ein Irrsinn, sich selbst dafür fertigzumachen, wenn man eigene erschaffene Pläne nicht gleich erfüllen kann. Stehen wir doch schon im Alltags- und Berufsleben permanent unter Druck, so müssen wir uns doch nicht noch selbst so kasteien. Trotzdem laufen wir immer wieder in die Gefahr, in solch ein Muster abzugleiten. Nehmen uns dabei wertvolle Lebensenergie und verpassen die Schönheit des Lebens an sich.
Halt an, wenn es im Inneren wolkenverhangen wird.
In meinem letzten Urlaub wurde ich – durch diverse Umstände – dazu gezwungen, mich mit genau diesem Muster auseinander zu setzen. Es war nicht leicht – besser gesagt, es war ziemlich anstrengend. Ich war mir selbst anstrengend.
Jedoch hat es sich – nachhaltig – gelohnt.
Es ist sinnvoll, für sich selbst Wege zu entwickeln, wie man sich selbst aktiv immer wieder herausnehmen und entschleunigen kann. Wie man schneller erfährt, was man wirklich will. Wie man wirklich spürt, wonach einem ist und sich nicht nur hunderte andere Optionen, die einem von außen vorgegeben werden, ablenken lässt.
Nur der eigene Pfad kann uns leiten.
Es ist daher wichtig, immer auf unserem Weg zu bleiben. So können wir uns niemals verirren, egal wie duster es auch mal um uns herum sein mag. So können wir auch niemals etwas verpassen – denn wir sind ja bei uns. Neulich kam in einem Gespräch der Satz „ich habe immer Angst, etwas zu verpassen“ auf.
Ein Satz, der natürlich auch wieder das Gefühl von Müssen triggert. Denn er bedeutet, dass ich raus muss, Leute treffen, raus muss auf dieses Konzert, weil andere es tun, reisen muss, weil alle es machen, etc. pp. – die Liste ist mit all unseren tausend Möglichkeiten, die wir tagtäglich haben, endlos lang.
Aber, wo bleiben wir dann? – Wir bleiben dabei einfach auf der Strecke.
Denn bei dem Vorhaben, nichts zu verpassen, vergessen wir, was wir wirklich wollen. Rennen allem hinterher, erfüllen alle Optionen und gewinnen am Ende doch nichts für uns selbst. Die Leere, die dabei entsteht, kann nur durch ein weiterrennen und ein permanentes Lückenfüllen betäubt werden. Wenn wir innerlich dann irgendwann wieder so leer sind, dauert es oftmals lange, um wieder an den Punkt unserer inneren Stärke, zu unseren Wurzeln zurück zu gelangen.
Innere Stärke. Frei von außen, frei von allem.
Das Leben ist zu kostbar, um es auf fremden Pfaden zu verfolgen. Es gibt nun mal nur den einen richtigen Weg – und das ist unser eigener.
Ich kann mir Ratschläge anderer Personen anhören, kann sie abwägen, mich inspirieren lassen, doch kommt es letztendlich immer nur darauf an, ob das, was ich mache, wirklich aus meinem Inneren entspringt, wirklich zu mir passt, es sich ohne Druck und Müssen entfalten kann.
Ein gutes Beispiel ist das Lesen von Blogs: Man kann sich wirklich darin verlieren, über andere Menschen und deren Leben zu lesen, oftmals sind es beneidenswerte Storys, scheinbar voll mit Reisen, einem freien Leben, sorgenlos und unabhängig. Ich finde es zwar toll, von solchen Menschen zu lesen, denn bin ich auch gerne mit inspirierenden Personen zusammen und finde es wunderbar, wenn man sich mit Menschen austauschen kann, die die gleichen Ziele verfolgen und dieselben Wertevorstellungen innehaben.
Jedoch kann man auch dazu neigen, diese zu sehr als „Vorbilder“ zu nehmen.
Lässt es nicht beim Inspirieren lassen bleiben, sondern versucht sich selbst das Leben eines anderen aufzudrücken. Man schaut zu sehr nach rechts und nach links, immer auf der Suche nach etwas vermeintlich Besseren.
Dies passiert aber nur dann, wenn wir nicht achtsam mit uns selbst sind. Wenn wir vergessen, was wir selbst im Leben leisten und schon geleistet haben. Vergessen, dass unser eigener Lebensweg nicht weniger zählt als der eines anderen, auch wenn er für uns vielleicht weniger spektakulär und spannend erscheint, er sich nicht auf schönen Fotos dokumentieren lässt und man vielleicht denkt, dass er nicht genügend Erzählmaterial für einen Blog oder gar ein Buch bieten kann.
Jeder von uns ist so unglaublich wertvoll – und genau so wertvoll ist auch sein Lebensweg.
Egal, wohin du gehst, geh mit dir.
Wenn man zudem realisiert, dass man nur diesen einen Lebensweg hat, fällt es vielleicht auch leichter, ihn bewusster zu gehen und zu gestalten. Ihn nachhaltig passend für uns zu machen. Zu lernen, dass wir auf diesem Weg nichts müssen und daher auch nichts verpassen können.
Es lohnt sich, auf diesem Weg standhaft zu bleiben und für ihn einzustehen, für ihn zu kämpfen. Verteidige ihn, wenn es darauf ankommt und trau dich, ihn wertzuschätzen.
Ihn frei von Dogmen zu halten, ihn leicht und mit Freude zu gehen. Wir müssen uns auch nicht dafür rechtfertigen, dass wir ihn gehen und wohin wir auf ihm gehen. Müssen ihn nicht erklären und können jederzeit unsere Richtung ändern.
Müssen ihn nicht in Worte fassen, ihn nicht dokumentieren, nicht mal teilen können.
Es reicht eben einfach, auf unserem Weg unterwegs zu sein. Immer und jederzeit.