Endspurt.


Mittwochmittag, 12.30 h. Langsam aber sicher wird mein Kopf nervös, es geht auf den frühen Feierabend und damit meinen wöchentlichen „Kurzurlaub“ zu. Der freie Mittwochnachmittag – der Ausgleich zu meinen beruflichen Notdienstwochenenden – wird jedesmal gefeiert wie ein komplettes Wochenende. Da ist es mir relativ egal ob es schifft, schneit, stürmt oder auch noch andere alltägliche Dinge zu erledigen wären – es muss rausgehen, ich muss radeln, laufen, wandern. Es muss ab in den Wald mit mir, hoch auf die Berge, die kurze Freiheit genießen.

Alles um abends mit freier Seele, müde und glücklich einschlafen zu können.

Dieser Mittwochnachmittag ist nochmal etwas mehr besonders: es steht das letzte Training für mein allererstes Trailrennen an.

Manchmal gibt es ja so Sachen die man entdeckt und die einen nicht loslassen, sich festbeißen und so lange im Kopf bleiben bis sie endlich „erledigt“ sind.  So ist es auch bei diesem Lauf – er nimmt auf 54 km und 2300 Hm meinen liebsten Berg in den Vogesen mit und ließ mich nicht los bis ich ihn endlich gemeldet hatte. Dazu muss ich sagen dass ich bisher weder einen Marathon noch sonst irgendein Laufevent bestritten habe – ich weiß nicht mal wie viele km am Stück ich wirklich schon gelaufen bin. Ich weiß nur eins: ich laufe gerne, viel, lange und wenn möglich bergauf. Gerade so wie mir die Beine sind. Das Laufen ist für mich das Ursprünglichste was der Mensch tun kann – es macht einfach nur frei. Es dürfte also etwas spannend werden was mich am Sonntag in den Vogesen erwartet.

Frei werden müssen im Kopf – das war auch gestern wieder fällig. War ich mittags noch übervoll – zugepflastert mit Gedanken um die Arbeit, die Doktorarbeit, Gedanken an zuhause und alltägliche Dinge die einen so gefangen nehmen, verflüchtigten sich diese mit jedem Schritt, jedem Atemzug. Der Atem wird frei, tiefer – nicht mehr flach und kurz wie er im Alltag meistens ist. Ich laufe und werde mit jedem Schritt ruhiger, gewinne mich selbst dabei zurück, kann mich wieder fokussieren auf das was wirklich zählt im Leben.

Und so laufe ich hoch Richtung Kälbelescheuer, es geht auf kleinen, wurzeligen, steinigen Pfaden die Berge rauf. Ich höre nichts bis auf Vogelzwitschern, Wind, das Rascheln unter meinen Füßen und meinen Atem. Oben geht es über Altschneefelder und über kleine Bäche, die vor sich hin plätschern und das Schmelzwasser ins Tal bringen. Ich sehe kaum Leute, es tut gut nichts sagen zu müssen, das Denken abzustellen und sich einfach so natürlich frei bewegen zu können.

War ich vor dem Lauf noch unschlüssig was ich tun soll – radeln oder laufen – so bin ich jetzt nur überglücklich dass ich mich (entgegen der Bedenken dass ich eventuell meine Knie für Sonntag schonen sollte) fürs Laufen entschieden habe. Es läuft sich wie von selbst – aus angepeilten 2-3 Stunden wurden 4, die dann aber rein aus Vernunft im Hinblick auf den Lauf in 3 Tagen wirklich reichen sollten.

Zurück am Bulli – durchschnaufen. Lächeln, tief einatmen, ausstrecken. Nochmal innehalten und nachwirken lassen. Beim Heimfahren geht die Sonne als riesiger Ball am Horizont unter – spätestens jetzt wird es langsam Zeit sich auf Dusche, Essen und das Sofa zu freuen. Und mit Spannung den Sonntag zu erwarten.

 

Über mich.
Heimat.Fernweh.

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