Across no borders – GST part #2 – the point of no return.

 

& wenn mich nichts mehr hält, hält dieses Leben mich.

 

An diesem Morgen brauche ich den Wecker nicht. Ich freue mich so dermaßen auf den mir bevorstehenden Abschnitt, dass ich nahezu freiwillig aus der Hängematte krieche und fast mit Freuden in meine Stinkeklamotten springe. Meinen Knien zufolge ist es gar nicht so schlecht, dass ich sie bergab erstmal etwas warm radeln und somit schonen kann – denn sie werden täglich morgens ein Stück steifer und brauchen immer eine Weile, bis sie wieder runde und halbwegs flotte Kurbelumdrehungen hinbekommen.

 

 

Plattensonne am Morgen.

 

Mit dem Sonnenaufgang mache ich mich also auf – weiter und tiefer ins Werratal, den vorletzten Abschnitt vor dem Brocken – einem weiteren Meilenstein auf dieser Tour. Meine Essensnachschubpausen treten mittlerweile immer früher ein und heute Vormittag brauche ich eine gefühlte Ewigkeit, um richtig in die Puschen zu kommen, obwohl das Terrain es mehr als zulassen würde.

Die Landschaft wird weitläufig und ich genieße jeden Ausblick, als wenn es mein letzter werden würde. Fast vergesse ich die steilen Betonplattenrampen, die die Freude an dem leichten Sein immer wieder unterbrechen und einen abrupt zum Entschleunigen zwingen.

 

Mein nächstes Ziel ist hier Bad Sooden-Allendorf – und ich träume schon die ganze Zeit von einer ordentlichen Portion an Kaffee, Kuchen, Wasser & Schorle sowie diversen anderen Snacks. Was auf dem Garmin aussieht wie ein Katzensprung, zieht sich natürlich bis zum ersehnten Ziel mehr denn je: es dauert also ein Weilchen und einiges an Plattenkilometern, bis ich mir endlich den Bauch mit all den guten Sachen vollstopfen kann.

 

Plattenstopp in Bad Sooden – fulfilled food happiness.

 

Es ist, als würde ich diesen Ort hier kennen – auch wenn ich noch nie zuvor hier war. Etwas Bekanntes begleitet mich und ich wünsche mir kurz, noch länger Zeit für diesen Ort haben zu können, um meinen Erinnerungen nachzuhängen und nachdenken zu können. Dennoch fasse ich mir mein Herz und ziehe nach dieser  so wohltuenden Kaffeepause schweren Herzens und es vermeidend zurückzuschauen wieder weiter.

 

Die ersten kurzen Kilometer aus Bad Sooden heraus laufen wie von alleine – ich fliege förmlich über den Asphalt und werde somit auch wieder an meine Bremsbeläge erinnert, die ich dringend wechseln sollte. Das Wetter scheint zusätzlich umzuschlagen und Regen kündigt sich an – ein Zeichen für mich, die schon etwas länger aufgeschobene Inspektion also zeitnah zu erledigen. Bevor der Track nach rechts abknickt, mache ich also eine erneute kurz Pause und kümmere mich um die Bremsen.

Nebenbei verschwindet irgendwie schon das erste Stück Apfelkuchen aus dem Rucksack in meinem Bauch – die Sättigung aus Bad Sooden hat gerade mal stolze zwanzig Minuten angehalten. Während ich hier noch kurz mit einem schlechten Gewissen kämpfe, weiß ich spätestens beim weiterradeln – pardon, weiterschieben! -, wofür ich den frischen Kuchen in den Muskeln noch bitter nötig haben werde:

denn dem Track nach rechts folgend stehe ich vor einer steilen (wirklich steilen!) Betonplattenwand. Ein Schild warnt mit der Aufschrift „Vorsicht steil“ oder irgendwas in der Art davor, dass es auf den nächsten 1,7 km sehr, sehr steil (habe ich steil schon erwähnt?) bergauf gehen wird. Ich ahne Böses – und liege damit gar nicht mal so verkehrt. Die Rampe zieht sich mit Marken um die 45° Steigung den Berg nach oben – und ich mich mit ihr. Mein Magen gibt alles, um so schnell wie möglich alle Energie aus dem Kuchen rauszuziehen und dennoch: es kostet alle Kraft, Mühe und Konzentration, sich hier hochzupushen. Natürlich werde ich hier von fleißigen kleinen Mücken begleitet. Oh und Ja – natürlich wird es auch einen schönen Baumstamm geben, über den man sich und sein Rad in dieser Steigung noch hiefen werden darf – what else.

 

Es wäre ja langweilig sonst!

 

Never ending Plattenstorys // random.

 

Während die Platte kein Ende zu nehmen scheint, fängt es langsam an zu nieseln – halbrutschend und halb stacksend geht es so also weiter auf Schmierseifenplatte bergauf.

 

Nach einer guten Weile komme ich endlich oben an und leere erstmal meinen Liter Apfelschorle, der mich in der Lenkertasche als Extra-Backup begleitet hat. Ich stehe oben auf der Junkerkuppe, mit einem fantastischen Blick auf das Tal, die hinter einem liegende Landschaft und einer wunderschönen Aussicht auf ein schönes Regenband, das sich langsam in meine Richtung schiebt.

Ab hier wird es nun endlich Richtung Harz gehen – und die ersten Kilometer begleitet mich ein Regenband aus Niesel und kalter Luft. Ich genieße es sogar, denn es kühlt meine total zerstochene und juckende Haut an Armen, Beinen und dem Gesicht. Langsam reagiert der ganze Körper auf all die Brennnesseln, Mücken, die Sonne und all den anderen Einwirkungen des GST Terrains immer mehr. Mit einem Mal laufen die Kilometer so dahin – mit nur einer kleinen Kuchenrast fliege ich quasi dem Harz entgegen. Die Landschaft verändert sich wieder aufs Neue – wird noch weitläufiger, der Himmel über mir noch offener und blauer. Langsam lässt auch der Regen wieder nach und die Sonne kommt zurück – sie begleitet mich über all die Hochebenen und wärmt meine Seele und Körper von innen heraus.

 

Plattenfreiheit auf den Hochebenen.

 

Im Kopf manifestiert sich der Brocken schon als nächster Meilenstein – ich versuche, ihm am selben Tag noch so nah wie möglich zu kommen und fahre, fahre, fahre. Und fahre. So lange, bis ich abends im Dunkeln irgendwann an einem Biwak – einer kleinen, offenen Hütte an einem Weiher – ankomme und den Feierabend damit endgültig einläute. Die Hütte ist ein Jackpot, denn ich kann in ihr meine Hängematte aufhängen und im Trockenen und Taugeschützten endlich selig einschlafen.

 

Es folgt das Plattenfeierabendbusiness as usual: Ankommen, essen, auspacken, essen, Hängematte aufhängen, essen,  die überfällige Katzenwäsche angehen, essen, essen, essen, Sachen sortieren, essen. Mich in die Hängematte legen.

Essen! Und wieder essen!

Es gibt nichts Schöneres, als nach einem so langen Tag im Sattel so erfüllt in der Hängematte zu liegen und friedlich seine gerösteten und gesalzenen Nüsse zu futtern – zufrieden, im Stillen. Erfüllt. Glückselig.

Es dauert mal wieder nicht lange und ich schlafe ein wie ein Stein.

 

Guten Morgen, liebe Platte!

 

Nur kurze Zeit später ruft der nächste Morgen – und somit auch der Brocken! Ich schäle mich aus der Hängematte und brauche eine gefühlte Ewigkeit an diesem Morgen, bis ich endlich in die Pötte komme. Dieses Szenario wiederholt sich langsam und ich sehe zu, dass ich mich etwas verspätet um halb sechs auf in Richtung Brocken mache.

 

Der Brocken! Endlich! Endlich Berge, endlich ein langer Anstieg –

Endlich… – wirklich endlich?

 

Ich möchte eigentlich nichts beenden. Denn mit jedem Tag, den ich hier auf der Platte verbringe, wächst meine Freude daran. Daran zu denken, dass mit dem Brocken auch das Ende dieser Tour eingeläutet sein wird, lässt mir das Herz eher schwer werden. Umso mehr genieße ich jeden Kilometer, der noch vor mir liegt und umso mehr koste ich alles, was sich mir hier auf der Platte und diesem wunderschönen grünen Band bietet, voll und ganz aus.

 

Glücklicherweise bin ich dann allerdings einige Stunden damit beschäftigt, den Brocken zu erklimmen und befinde mich mental somit weit von einem Ende dieser Tour entfernt. Was auf der Karte nach einem Katzensprung aussieht, entpuppt sich natürlich als ziemlicher – ja, anders kann ich es nicht sagen – Brocken. Ich hatte vom Anstieg und vom Terrain des Harz vorher keine Vorstellung – und wollte mich auch einfach überraschen lassen. Verschluckt von Wald und Bergen durfte ich hier endlich wieder klettern – das, was ich am liebsten mache und das, was mich auch in den schlechtesten Zeiten am besten und heilsamsten wieder nach oben bringt.

 

Ankunft am Brocken. 

 

Es wird bis zum Mittag dauern, bis ich den Brocken erreiche. Statt Gipfelglück und Ruhe herrscht hier oben jedoch eine Völkerwanderung! Der strahlende Sonnenschein zieht die Menschenmassen nach oben und ich kämpfe mich die letzten Höhenmeter schlängelnd um all die Spaziergänger und Wanderer die letzten Rampen hoch.

Ich verschiebe mein Kuchengipfelglück also auf später und lasse mir am Kiosk zwei Stücke Pflaumenkuchen für den Rucksack einpacken – zu viel ist mir hier los, zu wenig Ruhe finde ich, um diesen Meilenstein – den point of no return – auch richtig genießen zu können. Ein alkoholfreies Weizen und zwei Kaffee gönne ich mir in diesem Menschengewimmel aber trotzdem noch auf und begebe mich dann schnell an die Abfahrt

– die mich dann tatsächlich sehr, sehr schnell wieder auf den Boden der Plattentatsachen zurückholt:

 

Plattenabfahrt at its best!

 

Denn –  keine Ahnung wie ich mir die Abfahrt vorab vorgestellt hatte – der Belag „Platte“ gehörte in dieser Vorstellung jedenfalls nicht dazu! Doch den gibt es hier nun – und zwar in rauer & gewaltiger Menge. In einer atemberaubenden Fernsicht lässt die Platte mich förmlich bis zur Ostsee fliegen– es ist, als wenn ich sie schon förmlich riechen könnte! Immer wieder muss ich anhalten, um meine vom Bremsen tauben Finger zu entspannen. Um Fotos zu machen. Um kurz inne zu halten. Die gesamte Abfahrt von diesem Brocken an Berg wird mich gute zwei Stunden beschäftigen – und mit der Abendstimmung jage ich danach hinein ins Flachland und immer weiter in Richtung Ostsee.

 

Still riding & pushing the Plattendownhill.

 

Es wird nun flach – flach, weit, windig und dennoch: wunderschön! Ich kann nicht anders, als diese mir eher ungewohnte Landschaft zu genießen – denn nur so kann ich verhindern, dass mich das flache Terrain zu viel an mentaler Kraft & Stärke kosten wird. Denn wenn mir eines nicht liegt, dann sind es nunmal eben die Komponenten flach & windig.

In einem Supermarkt kann ich glücklicherweise noch meine Lebensmittel aufstocken. Ein fast halbkilo schwerer Butterstreuselkuchen landet nur wenige Kilometer später in meinem Magen. So viel zum Thema „Futtervorrat aufstocken für die nächsten Tage“…  

Zusätzlich finde ich in einem süßen kleinen Ort im Nirgendwo plötzlich noch ein Paradies an Gastronomie – und entscheide mich hier für ein schon so lang ersehntes Eis im Hörnchen. „Zwei Kugeln in der Waffel bitte – Pistazie und Joghurt-Waldbeere.“ – geliebter Klassiker & Seelentröster!

 

Eis-im-Hörnchen-Happiness!

 

Es wird das einzige Eis auf dieser Tour bleiben – mit einem kleinen weinenden, aber dennoch zwinkernden Auge erinnere ich mich zurück an den Eifel Graveller im letzten Jahr, in dem das traditionelle „Riding into the night“-Eis schon fast verpflichtend war. Nicht so hier auf der Platte. Hier gilt eben eher die „Scheppern into the night“-Tradition und auch diese wird es heute Abend wieder ohne Zweifel geben. Vorher jedoch sammle ich ein paar tolle Kilometer ein, auf denen das Beyond und ich förmlich zu fliegen scheinen – mal abgesehen vom Platten am Hinterrad, der uns jäh zu Boden zwingt. Die Sonne brennt tief am Himmel und ich radle solange, bis ich irgendwann wieder im Dunkeln auf der Platte kapitulieren muss. In der Nähe eines Weihers haue ich mich relativ simpel in ein Biwak im hohen Gras. Schon jetzt wird durch den Tau und den früh entstehenden Nebel alles klamm und nass – mir schwahnt also schon, was mich am nächsten Morgen erwarten wird.

 

Grenzmahnmale bei Nacht.

 

Meine Reise auf der GST geht stetig weiter. Ich kämpfe mit dem flachen Land Norddeutschlands, mit fransigen Platten, versandeten Trails, mit Hitze, Wasserknappheit, Mücken und ja, fransigen Platten. Jede kleine Gelegenheit, meine Vorräte aufzustocken, wird von mir herzlichst begrüßt und wahrgenommen – gut so, denn im Folgenden wird dies immer seltener werden. Meine gerösteten und gesalzenen Nüsse werden in ihrer Plastiktüte vorn in der Lenkertasche so arg von der Platte durchgeschüttelt werden, dass ein Nussmuß daraus entsteht. Krasse Kleinigkeiten, die mich immer wieder an die Härte dieser Tour erinnern und mich dennoch immer wieder auch zum Lachen bringen:  was zur Hölle tun wir hier denn eigentlich?

 

Ich finde nur eine Antwort darauf: Das Leben leben!

Nothing more & nothing less.

 

Ich kämpfe mich an diesem Tag durch Sand, Sand und nochmals Sand bis kurz hinter Salzwedel im Wendland. Hier habe ich noch Glück und kann mir einen Salat, Kaffee, Weizen und ein ordentlich versalzenes Pizzabrot (Salz! <3) kurz vor Feierabend in einer Pizzeria gönnen, bevor mich eine Schlafnacht auf Beton –  garniert mit einer Schar Mücken – erwarten wird. Ich realisiere nach dieser Nacht, dass die Angabe „Biwak BIG“ auf meinem GPS Track nicht für ein „Biwak der Größe BIG“ steht, sondern schlicht für eine „Bank im Grünen“.

 

Wundervoll! Ich stehe also nachts im Dunkeln vor einer schnöden Bank, die sich auf einem Erdhügel befindet, statt – wie erwartet – vor einer größeren Schutzhütte und beschließe – alleine schon aus Lichtmangel und allen voran bleiernder Müdigkeit nach diesem langen Tag – einfach hier zu bleiben.

 

Es dauert nicht lange, bis ich realisiere, mein Biwak auf Beton aufgeschlagen zu haben. Es dauert auch nicht so lange, bis ich ebenfalls realisiere, mich in einer Wolke an Mücken und Schnacken wiederzufinden. Ich bin zu müde und zu unwillig, um meinen Standort nochmals zu wechseln. Ich vergrabe mich also tief in meinem Schlafsack, ziehe alles über meinen Kopf, was ich habe und verharre der Dinge, die da um mich herum fliegen. Den knallharten Beton registriere ich sowieso kaum mehr und ich schlafe – mehr oder minder halbwach – ein und versuche, die Nacht so gut es geht zu überstehen. Da sie ohnehin sehr kurz ist, geht das noch relativ schnell und so sehe ich zu, in der Früh wieder um 5 Uhr am Rad zu hocken.

Diese Hammerpünktlichkeit ist auch meinem zerschossenen Kocher sowie Feuerzug geschuldet, die sich durch das permanente Rütteln in der Lenkertasche mittlerweile – synchron zu meinen Nüssen – dann auch endgültig verabschiedet haben. Okay. Dann eben kein Kakao. Kein Tee.

 

Was soll`s – who cares!

Ab aufs Rad.

 

Ich fahre ewig durchs Wendland, durchstreife Einsamkeit, verlassene Gegenden. Suche Wasser dort, wo ich doch keines finden kann. Und radle weiter, immer weiter. Irgendwann kommt es, dieses Gefühl, dieses lang ersehnte Gefühl von „Wow – die Elbe is finally calling“. Nach schnurgeraden Kilometern durch einen einsamen Wald auf der Platte schlafe ich fast auf dem Rad ein. Ich greife in die Snacktasche und hole meinen kleinen Notanker heraus: Koffeintabletten. Ich muss mir hier eingestehen, dass es dringend Zeit für Kaffee (oder eher zwei oder drei) wäre – und wenn es diesen eben hier in diesem Niemandsland nicht gibt, muss ich ihn mir halt – überaus lecker – in konzentrierter Form holen.

 

Endlose Plattenimpressionen.

 

Der schnurgerade Kolonnenweg knickt nach links ab und vor mir eröffnet sich: ein neuer schnurgerade Kolonnenweg! Ein Schild mit dem Hinweis „Elbe 15km“ begrüßt mich und ich weiß noch nicht, ob ich darüber lachen oder weinen soll. Nicht unbedingt, weil erneute 15 km auf dieser schnurgeraden und ermüdenden Platte mich nicht gerade begeistern würden…

 

– sondern eher, weil ich eigentlich gar nicht ankommen möchte.

Denn ja, die Platte ist hart – diese ganze Tour ist es.

 

 

 

 

& dennoch, um ganz ehrlich zu sein – habe ich hier, in diesem Hier & Jetzt, auf der Platte, in dieser Hitze, dieser Einsamkeit, den Spaß meines Lebens. Ich bin zufrieden. Und glücklich – frei zu sein. Im Hier und im Jetzt. Nach Monaten eines stetigen Auf & Ab, derben Verlusten, nach Momenten, in denen ich mehr ein mentales Wrack als ein starkes Wesen war, komme ich hier auf der GST endlich wieder an – bei mir. Ich bin glücklich, diese ganzen Gefühle in mir aufsaugen zu können, würde sie am liebsten festhalten, sie für immer behalten, sie nicht mehr gehen lassen müssen. Auch wenn ich im selben Moment weiß, dass dies nicht möglich sein wird – weiß ich dennoch – dass diese Tour und diese Erfahrung, mich so in dieser Art & Weise nie wieder loslassen werden.

 

 

Endspurt auf der Platte.

 

Die letzten Kilometer auf der Platte – sie werden mich nicht mehr verlassen. Ich mache mir Gedanken um die Freiheit. Die Freiheit des Hier & Jetzt. Die Freiheit, die wir heute haben – und die niemals wirklich selbstverständlich ist. Mich begleiten Todesstreifen, Grenzen, alte Zäune. Türme, Relikte und Mahnmale. Mich begleiten Erinnerungen vergangener Zeiten, die ich nicht kennen kann – und mir dennoch hier so nah werden.

Mich begleiten meine eigenen Gedanken. Zum Thema meiner Freiheit. Meinem Willen, Sinn und Sein.

 

Plattengedanken.

 

Doch in diesem Moment, am Ende der Tour, bin ich nicht angekommen, um zu bleiben.

Ich bin nicht angekommen, um es zu beenden. Ich bin hergekommen, um von hier aus weiterzumachen. Weiterzuziehen. Mit dem Gesicht in der Sonne & diesen ganzen Erinnerungen im Herzen. Ich bin hergekommen, um Abstand zu finden. Um es loszulassen. Was im Jetzt & Hier, doch irgendwie immer wieder einfach nur das Schwerste ist. Es ist leise. Stumm. Kaum hörbar. Nicht sichtbar. Und dennoch. Ist es einfach irgendwie & immer noch hier & vollends da.

 

Als ich in Priwall ankomme, komme ich bei mir an.

 

 

There she is – Ankunft in Priwall nach 1277km & >20.000Hm.

 

Ich durchstreife Priwall wie eine Nomadin. Bin glücklich, mich nicht entscheiden zu müssen. Glücklich, mit einer einfachen eiskalten Dusche am Strand, der ersten Dusche nach gut 7 Tagen. Ich bin glücklich darüber, in diesem Moment einfach nur sein zu können.

 

Es ist ein Glück, das vergehen wird. Ein Hoch, dem ein Tief folgen wird. Wie immer, wenn etwas Extremes, etwas so tiefgreifend Bewegendes endet. Es ist ein Hoch, das ich voll und ganz auskosten werde. Mir Zeit nehmen werde, langsam zurückzureisen, zurückzukommen – ins „normale Leben“. Es wird zwei Tage dauern, bis ich nach der GST wieder in Freiburg ankommen werde. Nach einer Nacht am Strand finde ich am Morgen den Moment,  der GST Adieu zu sagen. Zumindest für heute. Fürs Erste. Doch niemals für immer – und niemals im Ganzen.

 

Langsam auf dem Weg nach Hause.

 

Geschlossene Grenzen. Eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Unterbundene Sozialkontakte.

 

Across no borders – riding & pushing to set some marks & die Grenzsteintrophy waren für mich eine Reise, um etwas zu erfahren, das ich nie selbst erfahren musste. Als ich mich für die GST entschied, war mir klar, dass diese Tour etwas Besonderes werden würde – und ich wurde nicht enttäuscht. Nicht nur die Einsamkeit und Härte dieser Strecke packten mich schon auf den ersten Kilometern, sondern auch die Schönheit dieser Tour, die Schönheit der Landschaften, die unser Heimatland zu bieten hat. Auf dem ehemaligen Grenzstreifen hat sich auf dem grünen Band Deutschlands mit den Jahren und der Abwesenheit von uns Menschen eine atemberaubende Natur, Flora & Fauna angesiedelt, die es zu schützen gilt.

 

Mahnmale, Kolonnenwege, ehemalige sandige Todesstreifen, zerfallene Grenzzäune, Tore, Wachtürme – all das ist immer noch existent, immer noch real erfahrbar. Alles, was einen während der GST beschäftigen mag – Hunger, Durst, Schmerzen, Hitze, Kälte – sind Luxusprobleme hinsichtlich all jenen Dingen, an die man hier unterwegs erinnert wird.

 

Unsere Freiheit, egal in welcher Form – sie ist nicht selbstverständlich.

Niemals. 

 

Sie ist immer noch ein Gut, das es zu schützen gilt. Ein Geschenk, ein Resultat aus Mut, harter Arbeit, Opfern und dem Glauben daran, dass es auch anders, besser, hoffnungsvoller funktionieren kann.

Wer auch immer sich auch diese Reise begeben sollte – nehmt euch Zeit, reist sie achtsam und mit offenen Augen & Ohren und ihr werdet sie und all ihren so tiefgreifenden Erinnerungen, Impulsen & Erfahrungen nie mehr vergessen.

 

 

Von einem Mangel ohne Sein - wie wir werden, was wir sind.
Ride free - just another Blackforest-Bikepackingadventure.

2 Kommentare bei „Across no borders – GST part #2 – the point of no return.“

  1. Liebe Leona,

    ja, du hast recht: Hunger, Durst usw. sind hier wirklich Luxusprobleme, vor allem, wenn man damals die Grenzzäune und Wachtürme mit eigenen Augen gesehen hat! Ich war einmal als „junger Erwachsener“ an der Grenze, und das war schon sehr bedrückend. Ich hoffe, unsere jetzige Freiheit bleibt uns erhalten! Zitat von Rousseau: „Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will.

    in diesem Sinne: liebe Grüße und bis bald!

    Chris

  2. […] Finde hier die Fortsetzung meiner Erlebnisse der Grenzsteintrophy: Across no borders Part #2.  […]

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